Die nominierten Minister und Führungspositionen für die neue US-Administration lösen Kontroversen aus. Gestritten wird um die Lebensläufe der sogenannten «Trump Picks» und deren Eignung fürs Amt. Die Staatsrechtlerinnen interessiert indes folgende Frage: Schwört die neue Führungsriege ihre Treue der Verfassung oder dem Präsidenten? Und die Schweizer Öff-rechtler fragen: Wenn unsere Zauberformel dereinst bricht, leiten in Bundesbern ebenfalls polarisierende Picks die Geschicke?
von Philipp do Canto
Kaum war die US-Wahl im Herbst 2024 entschieden, begann das Karussell der Kandidatinnen und Kandidaten für die neue Administration in Washington zu drehen. Zum Schrecken der Demokraten nominierte Wahlsieger Donald Trump Leute aus seinem engsten Umfeld. US-Medien sprechen von Trump Picks. Sie stecken teils in Verfahren oder werden unisono als untragbar taxiert. Das führte bereits zum Rückzug von Kandidaturen.
Verfassungs- oder Königstreue, das ist heute die Frage
Trotz allem Lärm um die Personen ist es durchaus normal, dass ein designierter US-Präsident – auf die Präsidentin wartet die Welt noch – die Magistratsposten aus dem Umfeld seiner Partei rekrutiert. Auffällig ist hingegen, dass die Trump Picks dem Präsidenten unbegrenzte Loyalität zusichern müssen. Man erinnert sich an die vielen Entlassungen «unloyaler» Minister in der ersten Trump-Administration. John Bolton, ein in Ungnade gefallener ehemaliger Sicherheitsberater, erkennt in seinem Beitrag (Paywall) nicht zu Unrecht einen Rückfall in den Absolutismus, wenn Minister ihre Treue nicht der Verfassung, sondern dem Präsidenten schwören müssen:
«Wie funktioniert Loyalität im Amt? Das ist die eigentliche Nagelprobe für die Integrität der Ernannten und zeigt, ob ihre Loyalität der Verfassung oder dem Präsidenten gilt. Im Verteidigungsministerium sind beispielsweise Militärangehörige verpflichtet, keine rechtswidrigen Befehle auszuführen. Dort stellt sich die Frage: Was passiert, wenn der Präsident eine rechtswidrige Inlandsstationierung anordnet? Wird Pete Hegseth [der designierte Verteidigungsminister] empfehlen, den Befehl zurückzunehmen oder ihn einfach an die Streitkräfte weiterleiten? … Wie tief könnte sich dieses Chaos in die Befehlskette ausbreiten, und welchen nachhaltigen Schaden verursachen?». Wir harren in Europa gespannt auf die Antworten zu solchen Fragen.
Schweizer Zauberformel als Populismus-Blocker?
In der Schweiz soll das Prinzip der Konkordanz eine Polarisierung der Regierung verhindern. Dies geschieht über die Sitzverteilung im Bundesrat anhand der Zauberformel. Diese steht allerdings seit einiger Zeit in der Kritik. Was geschieht, wenn eine Partei am rechten oder linken Flügel bei den Parlamentswahlen durchmarschiert und die Zauberformel zerbricht? Ähnlich wie im US-Kongress werden auch unsere Minister durch die Bundesversammlung gewählt. Das Parlament übt so eine demokratische Kontrolle aus (Art. 132 ff. Parlamentsgesetz). Im Falle einer links- oder rechtspopulistischen Mehrheit verkommt die Wahl indessen zur Formalität. Der Amtseid und das Gelübde auf die Verfassung wird zur Farce, wenn eine starke Figur die ganze Bundesregierung prägt.
Wie sieht es bei der Besetzung der Schlüsselpositionen in der Verwaltung aus? Kann eine erfahrene Kapitänin einfach durch einen Pick ersetzt werden, der die Linie seines politischen Ziehvaters fährt? Zunächst ist es auch in der Schweiz die Norm, dass die Bundesrätinnen und Bundesräte die Stabstellen mit eigenen Vertrauten besetzen. Dazu verleiht das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) viel Spielraum: «Innerhalb des Departements verfügt der Departementsvorsteher oder die Departementsvorsteherin grundsätzlich über uneingeschränkte Weisungs-, Kontroll- und Selbsteintrittsrechte.» Und sie oder er kann persönliche Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen bestellen und deren Aufgaben umschreiben. (Art. 38 und 39 RVOG). Das ist hinreichend Manövriermasse, um «unloyale» Karrierebeamte über die Planke gehen zu lassen. Den Mitarbeitenden unterhalb der Teppichetage verbleibt der Kündigungsschutz nach Personalrecht.
Referendumsrecht als Korrektiv politisierter Gesetze
Für die Führungsriege gilt der Grundsatz: Bundesrat und Bundesverwaltung handeln auf der Grundlage von Verfassung und Gesetz (Art. 3 RVOG). Daran kann man sich halten, oder auch nicht. Wie schwer der Grundsatz schon unter der bestehenden Zauberformel zu leben ist, beschreibt alt Bundesrat Moritz Leuenberger im aktuellen URP-Tagungsband zum 40. Geburtstag des Umweltschutzgesetzes (Egoistische Demokratie – ohnmächtige Umwelt?, mit Paywall).
Die Schweiz besitzt indes ein einzigartiges Instrument zur Richtigstellung von Gesetzesvorlagen von irrlichternden Picks: das fakultative Referendum der Stimmberechtigten (Art. 141 Bundesverfassung). Selbst bei einer ausgeprägten linken oder rechten Parlamentsmehrheit kann das Volksmehr verhindern, dass politisierte Gesetze vom Stapel gelassen werden. Ein weiteres Mittel ist die akzessorische Normenkontrolle, um Verwaltungserlasse anhand konkreter Entscheide rechtlich zu überprüfen. Sowohl der politische als auch der juristische Weg kosten aber Zeit und Geld. Trotz der demokratischen Strahlkraft des Referendums dürfte das Schweizer Schiff schwierig auf Kurs zu bringen sein, falls es einmal backbord oder steuerbord driftet.
Wir tun somit gut daran, die altehrwürdige Zauberformel nicht als Hokuspokus abzutun, sondern arbeiten besser daran, sie als Bollwerk gegen überbordenden Populismus von links und rechts zu stärken.
(Bild: Tima Miroshnichenko, pexels)