Die neusten Fälle von Fehlverhalten in Spitälern haben Aufsehen erregt. Legal Compliance sollte auch für Ärztinnen und Ärzte in Praxen ein Thema sein. Wir zeigen, an welche Regeln sie sich halten müssen.
Wie weit Vorwürfe von Fehlverhalten im Gesundheitsbereich reichen können, zeigten die Spital-Affären im letzten Jahr. Insbesondere die Affäre um den ehemaligen Chefchirurgen des USZ, Francesco Maisano, führte vor Augen, wie gross das mediale Interesse bei möglichen Verstössen von Ärztinnen und Ärzten sein kann. Damit verbunden ist ein hoher drohender Reputationsschaden. Aus diesem Grund sind auch ambulante Leistungserbringer wie Arztpraxen gut beraten, sich mit Legal Compliance zu befassen. Dabei geht es um die Mitarbeiterkultur in einem Betrieb, sich an die Gesetze und an die internen Reglemente und Abläufe zu halten. Worauf müssen sie besonders achten?
Fangen wir mit dem Offensichtlichen an: Durch kriminelles finanzielles Fehlverhalten können Leistungserbringer sich strafbar machen. Die Abrechnung von Leistungen zu falschen Tarifen, der betrügerische Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage, Urkundenfälschungen und Betrug sind Beispiele. Aber es geht auch ohne kriminelle Absicht. Ärztinnen und Ärzte können das Gebot der Wirtschaftlichkeit von Art. 56 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) verletzen, indem sie Patienten «überarzten». Die Krankenkassen gleichen die Kosten einer einzelnen Praxis regelmässig mit einem Kollektiv vergleichbarer Praxen ab. Schneidet eine Praxis wiederholt bedeutend höher ab, können sie im Rahmen eines sog. Wirtschaftlichkeitsverfahrens gegen diese auf Rückerstattung von Geldern klagen. Dabei handelt es sich um eine eigentliche Keule der Krankenkassen, die auch mal die Falschen treffen kann.
Für die Leistungserbringer in Praxen stellen sich Fragen der Legal Compliance aber vor allem in zwei Bereichen: Im Umgang mit geldwerten Vorteilen und mit Rabatten. Das Thema ist ein Dauerbrenner und unter dem Titel der Integrität und Transparenzpflicht in den Artikeln 55 und 56 des revidierten Heilmittelgesetzes (HMG) geregelt. Seit dem 1. Januar 2020 ist ausserdem die Verordnung über die Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (VITH) in Kraft und regelt das Kleingedruckte. Die Regulierung ist angelehnt an den amerikanischen Sunshine Act von 2010, der erstmals finanzielle Transparenz in der medizinischen Praxis schaffte. Im Zuge der Revision wurden beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) acht Vollzeitstellen für die Organisation des Vollzugs der neuen Regeln geschaffen.
Der Umgang mit geldwerten Vorteilen ist in Art. 55 HMG geregelt. Fachpersonen, die rezeptpflichtige Arzneimittel verschreiben oder abgeben, dürfen dafür keine geldwerten Vorteile zum Beispiel von Pharmaunternehmungen entgegennehmen oder sich versprechen lassen. Die Details und Ausnahmen zu den nicht gebührenden Vorteilen sind in den Art. 3 bis 7 VITH geregelt. So dürfen sich Fachpersonen beispielsweise im Rahmen von Fachgesprächen die Verpflegungskosten von maximal 100 Franken bezahlen lassen, sofern sich der fachliche Austausch dokumentieren lässt.
Das Parlament wollte bei der Neuregelung die Heilmittelrabatte zuerst ganz verbieten, hat dann aber entschieden, diese weiter zu dulden, sofern sie ausgewiesen und an den Patienten weitergegeben werden. Die entsprechende Transparenzpflicht findet sich in Art. 56 HMG und die Weitergabepflicht in Art. 56 Abs. 3 KVG. Unter Voraussetzung gewisser formaler Kriterien, die in Art. 76b der Krankenversicherungsverordnung (KVV) festgehalten sind, können die Verbände der Leistungserbringer mit den Krankenkassen auch vereinbaren, dass die Rabatte nur teilweise weiterzugeben sind (Art. 56 Abs. 3bis KVG).
Die Gesetzesänderungen weisen den medizinischen Leistungserbringern in der Schweiz nun die Richtung für eine gute Legal Compliance. Die Neuerungen sind aber auch nicht ohne Kritik geblieben. Es wird zum Beispiel beklagt, dass die Weitergabe von Rabatten praktisch gar nicht möglich sei, weil dafür eine Anpassung der Abrechnungssysteme nötig wäre, die nicht in der Hand der Leistungserbringer liege.. Unklarheiten existieren auch um die Regelungen in der VITH. So ist etwa nicht ganz geklärt, was überhaupt als Rabatt im Sinne des Gesetzgebers gilt (vgl. Art. 8 VITH). Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) führt deshalb eine Liste mit Fragen und Antworten auf seiner Internetseite, die periodisch aktualisiert wird (zuetzt am 15. April 2021 bei Redaktionsschluss). Ärztinnen und Ärzten ist zu empfehlen, sich auf das Thema Legal Compliance zu sensibilisieren und nötigenfalls fachlichen Rat einzuholen.
Dank für diesen Beitrag geht an unsern rechtswissenschaftlichen Mitarbeiter Gian Heimann, Student an der Uni Zürich!