Gesundheitsberufe: Regulieren, bis der Arbeitsmarkt austrocknet

Der Gesundheitsbranche mangelt es an Fachkräften. Dafür herrscht bei der Regulierung Überfluss. Die Voraussetzungen für die Berufszulassung werden selbst bei sanften Therapien strenger. Und übersetzte Anforderungen an ausländische Diplome gefährden die Versorgung in unserm Gesundheitswesen. Die Osteopathie wird zum Gerichtsfall.

Mediziner und Fachpersonen müssen einen Bildungsabschluss vorweisen, bevor sie die erste Patientin behandeln dürfen. Der Grund liegt auf der Hand: Jeder Eingriff am Menschen birgt Risiken, und nur wer Sicherheit gewährleistet, darf die Behandlung vornehmen.

Nun gibt es heikle Eingriffe und weniger riskante, bei denen weder Skalpell noch Spritze angesetzt werden. Folglich müssten dort die Berufsanforderungen tiefer liegen. Doch der Trend geht in die Gegenrichtung. Auch sanfte Gesundheitsberufe werden akademisiert und die Berufszugangsschranken höher gelegt.

 

Akademisierung und «Bewilligungs-Wildwuchs»

Das Gesundheitsberufegesetz (GesBG) befeuert diesen Trend mit einer branchenweiten Bewilligungspflicht für eigenverantwortlich tätige Fachpersonen. Eine Verordnung regelt im Detail die Berufsqualifikationen. Einige Kantone doppeln nach, indem sie auch für angestelltes Gesundheitspersonal unter fachlicher Aufsicht eine Bewilligung verlangen.
Ein Verband von Physiotherapiepraxen hat deshalb kürzlich seinen Unmut gegen den «Bewilligungs-Wildwuchs» geäussert. Die Kantone wenden die Berufsvoraussetzen für dieselbe Therapieform teils sehr uneinheitlich an. Dies ist bereits aus Sicht des Binnenmarkts und der Gleichbehandlung problematisch.

Schlimm wird es aber durch den Fachkräftemangel. Die Schweiz bildet zu wenig Nachwuchs aus und braucht deshalb Professionals für Pflege und Therapie aus dem Ausland. Die Bewilligung zur Berufsausübung für eine ausländische Fachkraft setzt ein anerkanntes Diplom voraus. Das Schweizerische Rote Kreuz SRK prüft im Auftrag des Bundes ausländische Diplome auf Gleichwertigkeit mit Schweizer Abschlüssen. Damit wird das SRK zum Nadelöhr für den Marktzugang. Der Weg einer slowenischen Pflegefachfrau in ein Schweizer Spital führt ebenso über die Anerkennungsstelle wie eines Schweizer Osteopathen, der seinen Master in Deutschland gemacht hat und nun eine Praxis führen will.

Gerade im sanften Therapiefeld Osteopathie harzt es. Das SRK ist seit 2020 zuständig für die Anerkennung. Aber es hat noch keiner Handvoll Fachkräften mit ausländischem Diplom grünes Licht erteilt. Allen anderen Gesuchstellern schickt es Absagen oder bürdet ihnen Zusatzpraktika oder Prüfungen auf. Derweil werden die Wartelisten der Praxen länger und länger, weil sie kein Fachpersonal mehr finden.
Wie der Tagesanzeiger schreibt, bedroht die restriktive Praxis besonders auch Niedergelassene. Hunderte Therapeutinnen und Therapeuten praktizierten schon vor der Gesetzeseinführung und fürchten nun um ihre Existenz, weil ihre Diplome nicht anerkannt werden. Zudem gibt es in der Schweiz bislang keine Passerelle, die einen beschleunigten Erwerb des Schweizer Masters in Osteopathie ermöglicht.

 

Lehre und Rechtsprechung für Öffnung, Behörden stellen sich quer

Kein Wunder also, kämpfen einige Niedergelassene vor Gericht um ihre Anerkennung. Pikantes Detail: Trotz rechtskräftiger Anweisung des Bundesverwaltungsgerichts, ein Diplom aus Österreich mit dem Schweizer Mastertitel inhaltlich zu vergleichen, verweigerte das SRK ein zweites Mal die Anerkennungsprüfung. Selbst Legal opinions der renommierten Europarechtlerin Prof. Astrid Epiney von der Uni Fribourg bringen die zuständigen Stellen nicht von der Linie ab. Die Gutachten zeigen auf, dass die restriktive Anerkennungspraxis das Freizügigkeitsabkommen mit der EU und insbesondere die Diplomanerkennungsrichtlinie 2005/36 verletzt.

Der Fall ist wieder vor Gericht hängig, das Verfahren dauert seit über vier Jahren an. Die Belastung für den betroffenen Therapeuten kann man sich vorstellen. Derweil einige Patienten schlicht die Welt nicht mehr verstehen.
Wenn die Arbeitsmärkte in der Gesundheitsbranche austrocknen, dann geschieht das auch, weil Regulierung und ein restriktiver Behördenvollzug für ein ungünstiges Klima sorgen.