Ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verbessert die Aussichten von Inhaberinnen und Inhabern eines ausländischen Diploms auf den Zugang zu Schweizer Osteopathiepraxen. Das Urteil bildet zwar noch keinen Passierschein zum hiesigen Gesundheitsmarkt. Künftig dürfte das Schweizerische Rote Kreuz als Anerkennungsstelle aber die meisten Diplome aus dem Ausland inhaltlich näher prüfen.
In diesen Spalten wurde bereits von den Schwierigkeiten beim Marktzugang für Fachpersonen der Osteopathie mit ausländischen Diplomen berichtet. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gibt nun Anlass, das Thema weiter zu beleuchten.
Der Hintergrund
Mit der Einführung des Bundesgesetzes über die Gesundheitsberufe (GesBG) wurden die Bedingungen für die Zulassung zum Osteopathieberuf in der Schweiz neu geregelt. Im Zentrum steht die Bewilligungspflicht für osteopathische Behandlungen in fachlicher Eigenverantwortung. Ausländische Diplome müssen bis zum Ablauf einer Übergangsfrist am 1. Februar 2025 anerkannt sein, sonst droht den betreffenden Fachpersonen ein Berufsverbot. Das trifft besonders jene hart, die bereits seit längerem und noch unter den älteren, günstigeren Berufsvorschriften der Kantone praktizierten.
Die einzelnen Bewilligungsvoraussetzungen werden im genannten Update besprochen. Hier geht es um das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und dessen Auswirkungen auf ausländische Diplome (Urteil B-2844/2020 vom 18. März 2022).
Der Streitgegenstand
Das Urteil befasst sich mit einem Masterdiplom in Osteopathie, das an einer österreichischen Fachhochschule erworben wurde. Das für die Anerkennung zuständige Schweizerische Rote Kreuz SRK lehnte die Anerkennung mit der Begründung ab, der betreffende Studiengang sei nicht entsprechend den österreichischen Vorschriften akkreditiert worden. Der Studiengang sei mit einer privaten Weiterbildung gleichzusetzen, welche nicht anerkannt werden könne. Zudem bilde dieser keine eigenständige Ausbildung. Die Osteopathie sei in Österreich nicht reglementiert und folglich hätten die dortigen Behörden keine Bescheinigung der Anerkennung des Studiengangs ausgestellt.
In der dagegen erhobenen Beschwerde macht der Diplominhaber geltend, der ihm verliehene Titel in Osteopathie sei ein staatlich validierter Ausbildungsnachweis im Sinne von Art. 13 Abs. 2 der europäischen Berufsanerkennungs-Richtlinie 2005/36/EG. Die Ausbildungsstätte sei eine akkreditierte Fachhochschule, die den Osteopathie-Lehrgang entsprechend anbieten dürfe.
Beschwerdeführer und SRK tauschten sodann Privatgutachten zweier renommierter Rechtsprofessorinnen aus, deren Divergenz das Bundesverwaltungsgericht dahin gehend zusammenfasst, dass gemäss der Seite des Beschwerdeführers der EU-primärrechtliche Grundsatz der Nichtdiskriminierung zum Tragen komme, während die Seite des SRK davon ausgehe, dass einzig die Regeln der RL 2005/36/EG anzuwenden seien.
Man nimmt bei der Lektüre des Urteils also zur Kenntnis, dass es nicht um die materielle Gleichwertigkeitsbewertung des umstrittenen Masterdiploms selber geht, sondern um den formellen Status der Osteopathie und des konkreten Studiengangs in Österreich. Mithin muss das Gericht also eine vorgelagerte Frage behandeln.
Die staatliche Akkreditierung des Bildungsgangs
Der Spruchkörper zitierte zunächst Art. 13 RL 2005/36/EG, der die Anerkennungsbedingungen nach dem sog. Allgemeinen System festhält, das infolge des Freizügigkeitsabkommens mit der EU auch in der Schweiz gilt. Ein Kernelement der Bestimmung ist der Verweis auf die «reglementierte Ausbildung», einen Begriff, den das Gericht in der Folge als Massstab an den Studiengang des Beschwerdeführers legt (Erw. 2.3 und 3.).
Die reglementierte Ausbildung nach Art. 3 Abs. 1 Bst. e Richtlinie 2005/36/EG ist eine Ausbildung, die speziell auf die Ausübung eines bestimmten Berufes ausgerichtet ist und aus einem abgeschlossenen Ausbildungsgang oder mehreren abgeschlossenen Ausbildungsgängen besteht. Aufbau und Niveau der Berufsausbildung müssen in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats festgelegt sein oder von einer zu diesem Zweck bestimmten Behörde kontrolliert oder genehmigt werden.
Unter Verweis auf ein ähnlich gelagertes Urteil des Bundesgerichts zum vormaligen kantonalen Recht führt das Bundesverwaltungsgericht aus: «Ob es sich bei der Fachhochschule um eine mit der erforderlichen Befugnis ausgestattete Stelle handelt, beurteilt sich unabhängig von den materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung. Es kommt darauf an, ob die Fachhochschule Ausbildungsnachweise im Sinne von Art. 13 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Bst. d RL 2005/36/EG ausstellen kann» (Erw. 3.4.2).
Nach eingehender Auseinandersetzung mit dem österreichischen Hochschulorganisationsrecht kommt das Gericht zum Schluss, dass die vorliegende Akkreditierung der Fachhochschule die Voraussetzungen der Richtlinie erfüllt: «Bei der Fachhochschule handelt es sich daher um eine zuständige Stelle, die staatlich anerkannte Ausbildungsnachweise für die Anwendung von Massnahmen […], zu denen im österreichischen System die Methoden der Osteopathie zählen, ausstellt» (Erw. 3.4.7).
Das SRK hatte sich weiter auf den Standpunkt gestellt, das Diplom stelle eine physiotherapeutische Ausbildung dar. Auch dieses Argument verwarf das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf das vorgelegte Studiencurriculum (Erw. 3.5.).
Die Rückweisung an das SRK
Sieg auf der ganzen Linie für den Beschwerdeführer also? Nicht ganz. Denn die eigentliche Bewertung des Diploms hat ja noch gar nicht stattgefunden, weil das SRK dies bereits aus formellen Gründen ablehnte. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Sache deshalb zurück an das SRK: «Es wird somit zu prüfen sein, ob die erworbenen Ausbildungsnachweise ein Berufsqualifikationsniveau mindestens unmittelbar unter dem Niveau nach Art. 11 der Richtlinie bescheinigen (Art. 13 Abs. 2 Bst. b Richtlinie 2005/36/EG). Im Weiteren ist festzustellen, ob der Beschwerdeführer eine Berufspraxis von mindestens zwei Jahren in den letzten zehn Jahren nachweisen kann. Das Erfordernis einer zweijährigen, in einem «anderen Mitgliedstaat» ausgeübten Berufspraxis kann nach der Rechtsprechung auch unter bestimmten Voraussetzungen im Aufnahmestaat erfüllt werden […]. Ergibt die Überprüfung der Berufsqualifikation, dass in inhaltlicher Hinsicht erhebliche Unterschiede bestehen, kann der Aufnahmemitgliedstaat Ausgleichsmassnahmen verlangen.»
Der lange Weg für den Beschwerdeführer ist damit noch nicht abgeschlossen und es besteht ein Risiko, dass das SRK Ausgleichsmassnahmen wie z.B. eine Eignungsprüfung auferlegt.
Die Auswirkungen auf Diplome anderer Länder
Dass das Diplom materiell verglichen werden muss, ist allerdings ein wesentlicher Schritt. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht die Türe auch für Diplome aus Staaten, in denen die Osteopathie nicht berufsrechtlich reglementiert ist, weiter aufgestossen. Bislang war eine materielle Prüfung nur Diplomen aus Staaten mit reguliertem Beruf, etwa Frankreich oder England, vorbehalten. Das Gericht in St. Gallen hat, wie zuvor schon das Bundesgericht, zudem klar gestellt, dass Diplome von privaten Hochschulen grundsätzlich in Betracht fallen, wenn die Ausbildungsstätte die erforderliche staatliche Akkreditierung aufweist.
Viele Fachpersonen werden sich nun fragen, was der Entscheid für den eigenen ausländischen Mastertitel in Osteopathie bedeutet. Werden deutsche oder schwedische Diplome nun vom SRK einfach durchgewinkt? Dies ist zwar zu bezweifeln, aber die Chancen steigen, dass die Diplome materiell mit dem Schweizer Master verglichen werden und somit grundsätzlich anerkennungsfähig werden – wenn auch mit Ausgleichsmassnahmen. Es kommt im Einzelfall auf den besuchten Ausbildungsgang an, in welchem Land das Diplom erworben wurde und auf die persönliche Praxiserfahrung der Osteopathin oder des Osteopathen. Mit der steigenden Zahl der vom SRK begutachteten Diplome wird sich auch herausstellen, welche ausländische Hochschulen die besseren Chancen auf Diplomanerkennung in der Schweiz bieten. Das Bundesverwaltungsgericht wird auch dabei voraussichtlich das eine oder andere Wort mitreden.