Kurz vor Weihnachten hat die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) «Geschäftsführung der Behörden – CS-Notfusion» ihren Bericht abgeliefert. Den 569 Seiten Text sind 45 Sitzungen, neun Gutachtensaufträge, 79 Anhörungen und das Studium vieler Dokumente vorangegangen. Damit sollte die Geschäftsführung des Bundesrates, der Bundesverwaltung und weiterer Träger von Bundesaufgaben in den Jahren vor der Notfusion der Credit Suisse mit der UBS untersucht werden.
Wir sind keine Bankenrechtler*innen, aber Staatsrecht, Verfahren des öffentlichen Rechts und Checks and Balances im demokratischen Staat sind natürlich unser Ding, weshalb wir uns an dieser Stelle mit der parlamentarischen Oberaufsicht auseinandersetzen wollen.
von Esther Zysset
Parlamentarische Oberaufsicht
Gemäss Art. 169 Abs. 1 BV übt die Bundesversammlung die Oberaufsicht u.a. über den Bundesrat aus. Diese Oberaufsicht ist das Resultat eines politisch und rechtlich fein austarierten Systems, mit dem sich die drei Gewalten im Schach halten sollen. Die parlamentarische Oberaufsicht über die Verwaltung wird auf verschiedene Weise wahrgenommen, am besten bekannt sind die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) oder die Finanzkommissionen (FK) der beiden Räte. Ziel der Aufsicht ist dabei die politische, nicht rechtliche, Kontrolle der Tätigkeit des Bundesrates und der Verwaltung unter den Aspekten der Rechtmässigkeit, Ordnungsmässigkeit, Zweckmässigkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 26 Abs. 3 Parlamentsgesetz, ParlG). Die PUK als schlagkräftiges ad-hoc-Mittel dient dabei dazu, Vorkommnisse von grosser Tragweite zu untersuchen. Sie ist damit gewissermassen auch ein Mittel der kollektiven Verarbeitung schwieriger politischer Ereignisse aus der Perspektive des Rechtsstaats.
Die PUK, zusammengesetzt aus einer gleichen Anzahl Mitglieder des Ständerats und des Nationalrats (Art. 164 Abs. 1 ParlG), verfügt über weitgehende Informationsrechte: Sie kann Akteneinsicht verlangen und Befragungen durchführen und sie hat die Möglichkeit, auch bei Dritten Informationen einzuholen (Art. 150, 153-156, 166 ParlG). Dabei können ihr keine Geheimhaltungspflichten, etwa Amtsgeheimnisse, entgegengehalten werden. So ausladend ihre Informationsrechte sind, so eingeschränkt sind ihre Sanktionsmöglichkeiten: Eine PUK kann weder Disziplinarmassnahmen anordnen noch Verfügungen oder Entscheide der beaufsichtigten Behörden aufheben oder ändern (Art. 26 Abs. 4 ParlG). Sie kann Empfehlungen zuhanden der verantwortlichen Behörde ausrichten und sich über deren Umsetzung informieren lassen (Art. 158 ParlG). Weiter kann sie die verschiedenen Formen parlamentarischer Vorstösse (Motionen, Postulate, Interpellationen, Anfragen, Art. 118 ParlG) nutzen. Das Parlament ist als Gewalt mit der stärksten demokratischen Legitimation der beaufsichtigten Exekutive damit subtil übergeordnet. Die sehr bescheidenen «Sanktionsmittel» zeigen dabei, dass es sich bei dieser Überordnung primär um eine politische und nicht um eine rechtliche Vorrangstellung handelt.
Herausforderungen
Geht es darum, im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht Sachverhalte zu untersuchen, stellen sich verschiedene Herausforderungen:
1) Umfang der Untersuchung definieren: Was soll genau untersucht werden? An welchen Sachverhalten wird angeknüpft? Welcher Zeitraum ist dafür relevant?
Dabei besteht ein gewisses Ermessen, das es nach nachvollziehbaren Kriterien und möglichst ohne zu viel politischen Opportunismus auszuüben gilt. Ein Untersuchungsplan hilft, strukturiert vorzugehen und nicht vom Weg abzukommen.
2) Umfang der Aufsicht. Diese Frage steht mit dem Umfang der Untersuchung in engem Zusammenhang, sie ist der Frage 1) gewissermassen vorgelagert: Wie weit geht die parlamentarische Oberaufsicht in persönlicher und sachlicher Hinsicht? Im Bundesrecht erstreckt sich die Aufsicht nebst namentlich definierter Behörden und Verwaltungseinheiten (u.a. die «Geschäftsführung des Bundesrates und der Bundesverwaltung») auch auf «andere[…] Träger von Aufgaben des Bundes» (Art. 26 Abs. 1 ParlG) und wer von Aufgaben des Bundes spricht, weiss, dass diese manchmal nicht glasklar umrissen sind. Schliesslich ist die Frage, welche Handlungen von der Oberaufsicht erfasst werden. Gewisse Vorgänge sind dabei mit der Aufsicht eng verzahnt, ohne unterstellt zu sein – zum Beispiel, weil sie den Auslöser der zu beurteilenden Aufsichtsvorgänge bilden. In der Zusammenfassung des PUK-Berichts zur CS-Notfusion wird zur Geschäftsführung der Credit Suisse etwa gesagt (S. 3):
«Die PUK hatte als Organ der parlamentarischen Oberaufsicht den Auftrag, die Geschäftsführung der Bundesbehörden zu untersuchen. Damit lag die Geschäftsführung der CS ausserhalb ihres Auftrags. Die Kommission bezog die Entwicklung der Bank jedoch in ihre Untersuchung ein, soweit dies zur Beurteilung der Geschäftsführung der Behörden nötig war. Die Kommission hält einleitend fest, dass der Beinahe-Kollaps der CS und die daraus resultierende Notfusion ihrer Ansicht nach auf die selbstverschuldete Krise der CS zurückzuführen ist.»
Ja, das ist eigenartig – die PUK macht eine Aussage zu einem Sachverhalt, der ihr gar nicht untersteht – , aber unter dem Gesichtspunkt der Abgrenzung (die PUK muss den Umgang der Behörden mit ebendieser CS-Geschäftsführung untersuchen) auch nachvollziehbar. Diese Grenzziehungsfragen verdienen Beachtung, wenn der Untersuchungskommission nicht vorgeworfen werden soll, sie hätte ihre Kompetenzen überschiessend ausgeübt. Im vorliegenden Beispiel macht die PUK klar, dass sie das Schwergewicht der Verantwortung für den Untergang der CS nicht bei den Behörden, sondern bei der Geschäftsführung der Bank selbst sieht …obwohl sie diese Geschäftsführung nur gewissermassen indirekt im Spiegel ihrer Aufsicht über die Behörden überhaupt betrachtet hat.
3) Aus rechtlicher Sicht stellt sich sodann die Frage, welchen Verfahrensregeln die Untersuchungen unterstehen. Da die PUK als parlamentarische Kommission der Legislative zugeordnet ist, gilt das Verwaltungsverfahrensrecht nicht. Dasselbe gilt für die Verfahrensgrundrechte der betroffenen Personen, namentlich die allgemeinen Verfahrensgarantien, die auf Gerichts- und Verwaltungsverfahren zugeschnitten sind. Nichtsdestotrotz können die Untersuchungen einer PUK auf die Rechtstellung einzelne Personen oder auf den Gang laufender Gerichtsverfahren einen Einfluss haben.
Auf Bundesebene sieht das Parlamentsgesetz dafür eine relativ detaillierte Regelung vor (Art. 165, 167-168, 171 ParlG). In kantonalen Rechtsordnungen, die ebenso Formen der parlamentarischen Oberaufsicht vorsehen, sind die dazugehörigen Regelungen teilweise weniger ausführlich. In solchen Fällen ist es eminent wichtig, dass die anwendbaren Prinzipien und die Vorgehensweise sorgfältig definiert, begründet und im Untersuchungsbericht ausgewiesen werden.
Weiterführende Informationen
Die PUK ist ein Instrument, nach dem oft verlangt wird, das aber – zurecht – nur selten zum Einsatz kommt. Das Parlament hat die bisherigen PUKs – es gab bislang deren fünf, angefangen mit der Untersuchung des Mirage-Skandals 1961-1964 – hier sehr gut und anschaulich dokumentiert. Dort sieht die interessierte Leserin auch gleich, wie gross im Gegensatz dazu die Anzahl PUKs ist, die gefordert, jedoch mangels Konsenses schliesslich nicht eingesetzt wurden.
(Image credit: Claudio Schwarz @ unsplash)