Am 12. Februar 2025 hat der Bund die lang ersehnte Auslegeordnung zur Regulierung künstlicher Intelligenz veröffentlicht. Vom BAKOM zuhanden des Bundesrats erarbeitet, stellt sie drei mögliche Regulierungsansätze für künstliche Intelligenz vor. Der Bundesrat wählt den Mittelweg.
Von Esther Zysset
Ein regulatorisches Dilemma
Zuerst: Die Gründlichkeit der Recherchen zum gesamten Kontext ist zu begrüssen. Das BAKOM hat die regulatorische Situation in etlichen Ländern verglichen (was wird wo weshalb reguliert und was wird nicht) und auch Umfragen unter anderem in der Bundesverwaltung durchgeführt.
Dann die zweite Vorbemerkung: Die Schweiz befindet sich zugegebenermassen in einer schwierigen Situation, nicht gänzlich unverschuldet. Entscheidet sie sich, die Regulierung der EU nachzuvollziehen, wird sie Kritik aus verschiedenen gesellschaftlichen Subgruppen ernten (Stichwort „bürokratische Überregulierung“). Tut sie nichts, entsteht ein schwer zu überschauender Wildwuchs, der der Rechtssicherheit und dem Schutz der Grundrechte nicht förderlich ist. Versucht sie sich zuletzt an einer Umsetzung, die sich wesentlich an der EU anlehnt, ohne Wort für Wort die KI-Verordnung (geläufiger: AI Act) zu übernehmen, steht sofort wieder der Vorwurf des „Swiss finish“ im Raum: Ja, die Schweiz macht im Wesentlichen dasselbe wie die Nachbarländer, aber eben nicht ganz. So dass es schwierig wird für Unternehmen, die sowohl den schweizerischen Markt als auch den europäischen aktiv bedienen und sich auf verschiedene Regelwerke einstellen müssen. Der Bundesrat kann es also eigentlich nicht gänzlich richtig machen.
Die drei Ansätze
Aber jetzt zu den Ansätzen:
Numero 1: Es wird punktuell sektoriell dort reguliert, wo dies als nötig erscheint. Die Fachämter setzen Vorgaben in ihren Fachgesetzen um, Regulierungen sind zwar auf die Bedürfnisse der einzelnen Branchen ausgerichtet, es wird aber möglicherweise eine gewisse Kohärenz fehlen. In diesem Ansatz wird kein internationales Regelwerk bewusst im nationalen Recht umgesetzt.
Numero 2 – der vom Bundesrat gewählte Weg: Der mittlere Ansatz geht von einer Ratifikation der Konvention des Europarates zu künstlicher Intelligenz (KI-Konvention) durch die Schweiz aus. Dieser internationale Vertrag wurde im 2024 verabschiedet und tritt in Kraft, sobald er von mindestens fünf Staaten ratifiziert worden ist. Hier hatte das BAKOM wiederum zwei Subvarianten erarbeitet, von denen der Bundesrat die weniger weitgehende gewählt hat. Diese sieht vor allem Vorgaben für den Staat vor, der private Sektor wird voraussichtlich nur wenig reguliert. Zentral dürfte damit das „Risk and Impact Management Framework“ der KI-Konvention werden – eine Risiko- und Folgenabschätzung für KI-Systeme, die die Risiken für Menschenrechte, Demokratie und Rechtssaatlichkeit identifiziert und mit begleitenden Massnahmen wie Monitoring und Dokumentationspflichten einhergehen wird. Weiter nennt der Bericht die Verbesserung von Transparenzvorschriften, etwa durch Registrierungspflicht für vom Staat eingesetzte KI-Systeme in einem öffentlichen Verzeichnis oder durch eine Informationspflicht, die die bereits im Datenschutz bestehende Informationspflicht bei (voll-)automatisierten Einzelentscheidungen ausweitet auf lediglich teilautomatisierte Einzelentscheidungen.
Numero 3 – der maximale Ansatz: Dieser bestünde darin, sowohl die Europaratskonvention zu künstlicher Intelligenz zu ratifizieren als auch die KI-Verordnung der EU im Schweizer Recht umzusetzen. Diese maximale Variante kommt ohne horizontale Regulierung, d.h. sektorübergreifende Vorgaben, nicht aus. Diese Variante hat den Vorteil der grössten EU-Kompatibilität, den Nachteil der grossen Regulierungdichte.
Und was kommt nun?
Die ganze Auslegeordnung ist zwar gründlich, sie ist aber auch erstaunlich unkonkret und unverbindlich. Der Bericht enthält wenig greifbare Aussagen. Was am deutlichsten zum Vorschein kommt: Innovation und Wirtschaftsförderung sind zentral. Sie werden dann auch in den Zielen der Regulierung vor dem Schutz der Grundrechte und vor dem Vertrauen der Bevölkerung in Anwendungen der künstlichen Intelligenz genannt. Dies ist für die Schweiz bezeichnend und gibt bereits den Ton an.
Der Bundesrat hat bekanntgegeben, dass bis Ende 2026 (!) eine Vernehmlassungsvorlage erarbeitet wird, die die nötigen gesetzlichen Anpassungen ausweist. Zudem soll parallel ein Massnahmenplan erstellt werden, der rechtlich unverbindliche Massnahmen erhält.